Wer im Italien der 40er- und 50er-Jahre etwas auf sich hielt, der fuhr Alfa Romeo. Die damals noch eigenständige Marke, wenn auch als Staatsunternehmen, genoss den Nimbus eines extravaganten Oberklasse- und Sportwagenherstellers. Große Stückzahlen erreichte man damit jedoch nicht. Nach dem Zweiten Weltkrieg fuhren die meisten Italiener, die sich mehr als ein Fahrrad leisten konnten, einen Fiat 500.
Gut für die Exklusivität von Alfa Romeo, schlecht für die Geschäftskasse. Ein Auto für die Mittelklasse musste also her; allerdings eines mit Anleihen eines reinrassigen Sportwagens. Das Ziel war klar formuliert, die Umsetzung jedoch kaum erschwinglich. Alfa Romeo konnte sich die hohen Entwicklungskosten für eine völlig neue Baureihe nicht leisten. So kam es zu einer in der Automobilgeschichte wohl einzigartigen Finanzierung für eine neue Fahrzeugkonstruktion.
Ein Glücksspiel finanziert die Entwicklungskosten
Das Staatsunternehmen initiierte eine Lotterie, bei der die Teilnehmer als Hauptpreis den neuen Alfa Romeo gewinnen sollten. Heute würde man das Crowdfunding nennen. Eine Idee, die bei den Italienern gut ankam: Die Losverkäufe sorgten für ausreichend gefüllte Kassen.
Allerdings verzögerte sich die Entwicklung der fünfsitzigen Familienlimousine Giulietta Berlina. Um die Lotterieteilnehmer jedoch nicht um den für 1954 ausgelobten Preis zu bringen, änderte die Alfa-Führung ihren ursprünglichen Plan und gab bei der Karosserieschmiede Bertone die Produktion einer Coupéversion in Auftrag.
Somit stellte Alfa Romeo vor mehr als 65 Jahren auf dem Turiner Autosalon die Giulietta Sprint GT vor. Ein Jahr später folgte die Limousine und 1957 schließlich der von Pininfarina gezeichnete Spider, der als eines der schönsten Cabriolets aller Zeiten gilt. Doch wie kam die „Giulietta“ eigentlich zu ihrem Namen?
Ein russischer Strassenkünstler inspierte die Giuliettta
Die Entstehung des Namens "Giulietta", der sich eindeutig auf Shakespeares Romeo und Julia bezieht, ist Gegenstand verschiedener Versionen und Anekdoten. Die kurioseste erzählt, dass im Oktober 1950 eine Delegation von acht Führungskräften von Alfa Romeo zum Pariser Autosalon geschickt wurde, um das neue Modell "1900" vorzustellen. Bei einem Abendessen, das der französische Alfa Romeo-Händler zu ihren Ehren in einem bekannten Pariser Restaurant gab, wurden die Führungskräfte scherzhaft von einem gefallenen russischen Prinzen angesprochen, der, um über die Runden zu kommen, auf öffentlichen Plätzen auftrat und Reime und Gedichte für die Kunden erfand. An diesem Abend rezitierte der "burleske Dichter", um sich über die strenge und selbstgefällige Haltung der Ehrengäste lustig zu machen: "Je vois huit Roméo, mais aucune Juliette!" - Ich sehe acht Romeos, aber keine Juliette!.
Einige dieser Führungskräfte erinnerten sich an diese Episode, als es darum ging, den kommerziellen Namen des neuen Modells "Typ 750" festzulegen, und die Wahl fiel auf "Giulietta", in der Tat inspiriert von einem französisch-russischen Strassenkünstler.