Nach heutigen Massstäben lebte Modigliani wie ein Rockstar. Trunkenbold, drogensüchtig, Frauenheld. Der Sohn einer wohlhabenden jüdischen Familie aus Livorno verstarb mit nur 35 Jahren verarmt in Paris. Die Wiener Albertina widmet dem früh verstorbenen letzten Bohémien vom Montmartre zu seinem 100sten Todestag pandemiebedingt mit gut einem Jahr Verspätung eine umfassende Werkschau. Zu sehen sind 120 Werke, darunter viele der mandeläugigen Porträts und Akte, die ihn posthum berühmt machten.
Bevor Amedeo Modigliani mit 22 Jahren nach Paris ging, studierte er Malerei in Florenz und Venedig. Der Spanier Pablo Picasso, der Mexikaner Diego Rivera, der Rumäne Constantin Brancusi - sie alle waren bereits da, in der Welthauptstadt Paris. Die Avantgarde war im Aufbruch, und die Künstler auf der Suche nach neuen Ideen, weg von den Konventionen der Salonmalerei und der bildlichen Nachahmung der Realität. Amadeo Modigliani war mittendrin - in den abgewrackten Ateliers des Montparnasse, wie La Ruche oder Bateau Lavoir, dem Waschschiff, wo Picasso seine ersten kubistischen Werke schuf.
Polizei beendigt Ausstellung
Picasso, das vor Schaffenskraft trotzende Genie - Modigliani der Intellektuelle, charismatische und kränkelnde Maler. Das sei eine Konstellation wie Leonardo und Michelangelo, so der Kurator und Modigliani-Experte Marc Restellini. Zwei Zeitgenossen mit ähnlichen Interessen, aber anderen Zugangsweisen. Von seinen Künstlerfreunden überaus geschätzt, verkaufte Modigliani zu Lebzeiten nur sehr wenige Werke. Die einzige Ausstellung, die er erleben durfte, musste vorzeitig geschlossen werden. Seine Frauenakte wurden als skandalös empfunden, und veranlasste die Polizei zum Einschreiten, noch ehe ein Werk einen Käufer fand.
Beerdigt ihn wie einen Fürsten
Mit der Kunststudentin Jeanne Hébutere, die er kurz zuvor kennen und lieben gelernt hatte, floh er mit ihrer gemeinsamen Tochter von deutschen Bomben und der Spanischen Grippe nach Nizza. Für eine Hochzeit fehlen die erforderlichen Dokumente aus Italien. Neben dem privaten Glück bleibt Modigliani auch das künstlerische versagt: Seinen Welterfolg erlebte der Bildhauer und Maler nicht mehr. Er, der seit der Kindheit lungenkrank war, verstarb 1920 mittellos im Alter von 35 Jahren, mittlerweile wieder nach Paris zurückgekehrt, an Tuberkulose. Die im achten Monat erneut schwangere Freundin Jeanne, von ihrer Familie verstossen und mittellos, stürzt sich zwei Tage nach seinem Tod aus dem Fenster.
Die Tochter findet in Livorno ein neues Zuhause
Beerdigt ihn wie einen Fürsten, soll sein Bruder in Livorno den Künstlerfreunden in Paris ans Herz gelegt haben. Sein Begräbnis am Cimetière Père Lachaise wurde zum Ereignis. Der Bruder tauchte zwar nicht auf. Seine Bitte wurde jedoch von den Künstlerfreunden erhört. Sie sammelten Spenden für eine würdige Beisetzung. Maler, Schriftsteller, Modelle, Galeristen, frühere Geliebte, die Wirte der Bars und Bistros vom Montmatre nahmen Abschied von Modgliani. Erst 1930 wurde Jeanne Hébutere mit Modigliani in ein gemeinsames Grab am Père Lachaise wieder vereint. Die Tochter wurde von Modiglianis Schwester in Livorno adoptiert.